Bettenhausen und sein Wasser
100 Jahre - Das Gemeinde Wasserwerk - 1909-2009
Was hat Bettenhausen mit dem Wasser zu tun? Auf den
ersten Blick rein gar nichts!
Bei der Erklärung von alten Ortsnamen hilft uns die
Etymologie, ein Zweig der Sprachwissenschaften, der die
geschichtliche Herkunft der Wörter erforscht.
Die Lokalhistoriker unserer Region greifen gern auf eine
wissenschaftliche Arbeit aus dem Jahr 1973 zurück:
Lutz Reinhardt
"Die Siedlungsnamen der Kreise Gießen,
Alsfeld und Lauterbach in Hessen."
Die Etymologie beackert ein schwieriges Feld. Nicht
immer sind ihre sprach-geschichtlichen Deutungen sicher
und manchmal übersieht sie dabei,
was nur dem Ortskundigen auffällt.
So führt Reinhardt
unserer Dorfnamen auf einen Herrn namens Betto zurück,
ohne dafür auf einen urkundlichen Beleg verweisen zu
können.
Frage: Sind die gleichnamigen Dörfer bei Kassel und in
Thüringen auch von einem Betto gegründet worden? Das ist
doch eher unwahrscheinlich!
Ein Blick auf die Topographie hilft da weiter: Beide
Dörfer liegen in einer Flussniederung. Und auch unser
Bettenhausen liegt in einer Senke zwischen Oberholz und
Winke.
Spannender wird es, wenn wir einen alten Flurnamen in
Ober-Bessingen zu Rate ziehen. "In der Bette" ist heute eine
Straßenbezeichnung im Neubaugebiet direkt an der Wetter.
Was ist nun "die Bette"?
Uns fällt natürlich als erstes "das Bett" ein, als
zweites vielleicht "das Beet". Beides ist
sprachgeschichtlich korrekt, wie uns ein Blick in das
Etymologische Wörterbuch der deutschen Sprache, 1999
lehren kann:
"Bett" kommt aus dem germanischen badja. Im
Althochdeutschen heißt es betti und im
Mittelhochdeutschen bette, zwar nicht die bette, sondern
das bette, wie noch um 1200 beim Dichter Walther von der
Vogelweide ("wo unser zweie bette was").
Auch bezeichnen "Bett" und "Beet" ursprünglich dasselbe,
weil sie auch mit dem Wort "Boden" verwandt sind. "Die
Bette" als Ortsbezeichnung ist also eine Niederung, eine
Senke im Gelände, häufig von Bach- oder Flussläufen
gebildet.
Das trifft für die Dörfer bei Kassel und in Thüringen zu
wie auch für Ober-Bessingen, weshalb die Annahme
Reinhardts, der Name "Bessingen" sei auf einen
Namensgeber "Bazzo" zurück zu führen, nicht viel für
sich hat. Der alte Flurname "In der Bette" spricht
dagegen (s und t sind verwandte Buchstaben).
Nehmen wir noch zwei Ortsnamen aus Luxemburg hinzu:
"Bettendorf" und "Bettembourg" (Die französische Form
des deutschen Namens "Bettenburg" muss uns nicht
stören). Beide Orte liegen in einer Flussniederung.
Selbst "Betzdorf" an der Sieg und "Bötzingen" am
Kaiserstuhl erinnern an eine "Bette", da sie beide an
einem Bach oder Fluss liegen.
Wenn also der Name "Bettenhausen" nichts mit einem Herrn
"Betto" zu tun hat, sondern mit einer wasserreichen
Senke im Gelände, wo sind unsere Bachläufe geblieben?
Auch da helfen alte Namen weiter: "Auf der Bleiche", so
heißt eine Dorfstraße. Die "Bleiche" war bis um 1800 der
Ort außerhalb des Dorfes, wo die Leinenweber ihre
Produkte zum Bleichen oder Walken auslegten.
Für ihre
Arbeit brauchten sie Wasser und das lieferte ihnen der
"Bleichbach", der heute noch eine unterirdische
Wasserader ist. Im Bereich der Bleichwiesen war der Bach
sogar gestaut, denn es ist überliefert, dass 1813 die
russischen Soldaten, die nach der Niederlage Napoleons
bei Leipzig für kurze Zeit in Bettenhausen kampierten,
dort gern ihr Bad nahmen. Wahrscheinlich zum Ausgleich
für ihre Übungen auf dem "Reitplatz" auf der Winke.
Wie der "Bleichbach" ist auch ein anderer Bach
verschwunden, der vom Oberholz kommend die Untergasse in
der Nähe des ehemaligen Untertors querte. Hier betrieb
der "Bachschmied" seine Werkstatt. Auch er brauchte
Wasser für sein Handwerk. Seine Berufsbezeichnung lebt
noch im Dorfnamen seiner Nachkommen fort.
Man könnte noch die ehemaligen Dorfbrunnen oder andere
Beispiele für den Wasserreichtum Bettenhausens erwähnen.
Aber das Wenige mag genügen, um einen sagenhaften Herrn
"Betto" zu verabschieden und im Namen unserer Dorfes
eine Siedlung in wasserreicher Niederung zu erkennen,
"in der Bette" gelegen, so wie in Ober-Bessingen.
Die alten Bachläufe und Brunnen sind verschwunden und
heute erinnert nur noch ein Name an die nasse
Vergangenheit, das "Wasserhäuschen" draußen vor dem
Dorf.
Es ist schuld, das wir nicht mehr am Bach spazieren
können und auch nicht mehr wie die Russen im gestauten
Bleichbach baden können.
Um 1900 erreichte die moderne Ingenieurkunst auch unser
Dorf. Es war die Zeit, wo technische Errungenschaften
wie Elektrizität- und Wasserversorgung in die
Privathäuser Einzug hielten. Für die Menschen vor 100
Jahren war das ein gewaltiger Fortschritt und so können
wir die Begeisterung der Dorfbevölkerung verstehen, als
sie 1909 ihr "Wasserfest" feierte.
Seit Generationen erfolgte die Wasserversorgung des
Dorfes aus mehreren Brunnen, die sich an verschiedenen
Stellen im Dorf befanden. Am Eingang der Schulgasse
beispiels-weise befand sich mitten auf der Gasse der "Oberborn".
Auch waren Privatbrunnen vorhanden.
Im Jahre 1908 wurde vom Wasserwerk Inheiden angeboten,
Bettenhausen an dieses anzuschließen. Der Gemeinderat
lehnte jedoch ab, weil er sich mit dem Gedanken trug,
ein eigenes Wasserwerk zu bauen.
Am 11. Juli 1908 wurde Ing. Schiffman in Gießen
beauftragt, ein Gemeindewasserwerk zu projektieren. Im
Januar 1909 wurden dann Arbeiten an die Firma Oltsch in
Zweibrücken und die Firma Ch. Fey in Lich zum Preise von
21.875.- Mark vergeben.
In diesem Preis waren Pumpe und
Motor nicht enthalten. Diese wurden von der Firma Deut
geliefert. Mit den Arbeiten wurde sofort begonnen.
Die
Hauptarbeiten waren im Juli 1909 beendet, und die ganze
Gemeinde feierte dann am 11. Juli 1909 ein großes
Wasserfest. Erster Wassermeister wurde Georg Müller II.,
Stellvertreter Andreas Braun.
Das Wassergeld wurde damals nach der Kopfzahl der
Familie und dem Viehbestand, unterteilt in Klein- und
Großvieh, berechnet. Neben der Grundtaxe, die für jede
Abzweigung von der Gemeindewasserleitung zwischen 5 und
20 Mark erhoben wurde, gab es außerdem diverse
Zuschläge; u.a. musste für 1 "Abort mit Wasserspülung"
ein Zuschlag von 2 - 5 Mark gezahlt werden.
Waren
mehrere vorhanden war für jedes weitere ein Zuschlag von
1 - 3 Mark zu zahlen. Falls ein "Pißraum mit
Wasserspülung" vorhanden war musste ebenfalls "pro
Stand" ein Zuschlag von 2 - 5 Mark gezahlt werden.
Gleicher Zuschlag galt für jedes Wannenbad.
Der Verbrauch scheint gut gewesen zu sein, denn im Jahr
1913 wurde eine zweite Pumpe mit Elektromotor
angeschafft.
Die Freude über das Wasser wurde einige Jahre später
etwas getrübt. Es liegt uns leider nicht der komplette
Schriftverkehr aus den Jahre 1913-15 vor, aber noch im
Jahr 1913 wurde der Rechtsanwalt Sandmann in Hungen
eingeschaltet, da die Gemeinde angeblich 283,40 Mark zu
viel an die Firma Oltsch bezahlt hat und diese eine
Rückzahlung verweigerte.
In einem Schreiben an das
Großherzogliche Kreisamt Gießen heißt es:
"Durch Revisionsbemerkung der Großherzogl.
Ober-Rechnungskammer vom Rechnungsjahr 1911, sind bei
Ausführung der Wasserleitung der Firma Oltsch u. Co.
Zweibrücken 283,40 Mark zu viel ausbezahlt worden.
Auf Anforderung weigerte sich die Firma den Betrag
zurückzuzahlen, worauf durch Rechtsanwalt Sandmann Klage
gegen die Firma erhoben werde.
Da nun die Originalrechnung in dem Rechnungsband
eingebunden ist, können wir anliegendem Schreiben nur
entsprechen, wenn wir den ganzen Rechnungsband vorlegen,
wozu wir beim Großherzogl. Rentamt ergebenst um
Genehmigung nachfügen. Unterzeichnet ROTH Bürgermeister"
Zunächst versuchte die Gemeinde also das zuviel gezahlte
Geld zurückzubekommen. Die Firma Oltsch hat ebenfalls
einen Rechtsanwalt eingeschaltet, der in einer
3-seitigen Klagebeantwortung zu dem Ergebnis kommt, dass
der Firma Oltsch noch Geld zusteht.
In der Summe wären
11854,66 Mark zu zahlen gewesen, gezahlt wurden aber
11849,72 Mark. Da der Rechnungsbetrag ab 1.Mai 1909 zu
zahlen war, die Gemeinde aber Teilbeträge erst später
zahlte, wurde von dem Rechtsanwalt der Fa. Oltsch eine
Gegenrechnung eröffnet und der ab 1. Mai ausstehende
Betrag mit 5% verzinst. So wie es auch vereinbart
gewesen war. Woraufhin die Beklagte (Fa. Oltsch) eine
Widerklage in Höhe von 90,45 Mark aufsetzte.
Der Gemeinderat wollte nun Aufgrund der geringen
Aussicht auf Erfolg die Forderung ganz fallen lassen,
wenn die Firma Oltsch zumindest die entstandenen Kosten
bezahle. Unbeeindruckt von diesem Vorschlag ging ein
Vergleichsvorschlag des Gegners ein. " Jeder Teil läßt
seine Forderungen fallen und trägt seine Kosten." So
hatte die Gemeinde ihren Teil der Gerichtskosten von
11,30 Mark selbst zu zahlen.
Der Rechtsstreit endete im Jahr 1915.
Um eine gerechte Wassergeldberechnung vornehmen zu
können, baute man 1925 Wassermesser ein. Das Wassergeld
wurde auf 25 Pfennig je cbm verbrauchten Wassers
festgesetzt. Als Grundgebühr war je Zähler 1,50 Mark zu
zahlen.
Im Laufe der Jahre stellte sich heraus, dass in
trockenen Jahreszeiten nicht genügend Wasser gefördert
werden konnte. Zeitweise wurde das Wasser abgestellt, um
so den Verbrauch zu drosseln.
Am 29.11.1952 beschloss dann der Gemeinderat die
Wasserversorgungsanlage zu erweitern.
Den Auftrag für
die Planung und Bauleitung erhielt das Ing.-Büro Henkel,
Frankfurt/M. Mit der Bohrung eines neuen Brunnens wurde
dann die Firma Kuhn, Inheiden beauftragt. Die Bohrung
verlief erfolgreich und war 1954 beendet. Es wurde dann
die Pumpstation umgebaut.
Da das Wasser aus dem neuen
Brunnen sehr eisenhaltig ist, wurde eine
Enteisungs-anlage (Filter) eingebaut. Das Wasser wird mit
einer Elektrokreiselpumpe, die eine Förderleistung von
10cbm je Std. hat aus dem neuen 32 Meter tiefen Brunnen
über die Filteranlage in den Hochbehälter auf die Winke
gepumpt. Als Ersatzpumpe stand eine Pumpe mit
Dieselmotor zur Verfügung, die im Jahr 1966 durch eine
Elektropumpe ersetzt wurde. Auch wurde im selben Jahr
eine automatische Schaltung vom Hochbehälter zur
Pumpstation eingebaut. Die Anlage arbeitete gut und es
war auch immer ausreichend Wasser vorhanden.
Durch den stetigen Anstieg der Einwohnerzahlen, stieg
auch der Verbrauch. Der Hoch-behälter für Langsdorf wurde
zu klein und die Stadt Lich entschloss sich, für den Bau
eines Hochbehälters in Birklar, der die Dörfer Birklar,
Langsdorf, Bettenhausen, Muschenheim und Kloster
Arnsburg mit Wasser versorgen sollte. Seit dem Jahr 2003
ist der Betten-häuser Hochbehälter nicht mehr in Betrieb.
Bettenhausen, Langsdorf, Birklar, Muschenheim und
Kloster Arnsburg sind nun an dem gemeinsamen
Hochbehälter angeschlossen und werden mit Inheidener und
Bettenhäuser Wasser versorgt.
Der Bettenhäuser
Hochbehälter hat nach fast 100 Jahren ausgedient und
wird nun als Löschwasserbehälter genutzt.